Dr. Martin Wichmann
Dr. Martin Wichmann

Apologetik

Weder gründete die Religion in der Notwendigkeit, die Solidarität in der Gesellschaft zu sichern, noch wurden die Kathedralen gebaut, um den Tourismus zu fördern.

Das Ansehen der Freiheit in dieser Gesellschaft, die sich zu einem wissenschaftlichen Determinismus bekennt, ist ein christlicher Restbestand.

Der größte moderne Irrtum besteht nicht in der These vom toten Gotte, sondern in dem Glauben, dass der Teufel tot sei.

Der Ungläubige ist verblüfft, daß seine Argumente den Katholiken nicht beunruhigen, weil er vergißt, daß der Katholik ein bezwungener Ungläubiger ist. Seine Einwände sind die Fundamente unseres Glaubens.

Die moderne Architektur ist fähig, Industrieschuppen aufzustellen, aber es gelingt ihr weder einen Palast, noch eine Kirche zu bauen. Dieses Jahrhundert wird nur Spuren seiner Geschäftigkeit für unsere schäbigste Habgier hinterlassen.

Selbst wenn die Menschheit jeden Apparat, den man ihr erfindet, nutzt, schätzt sie am Ende doch nur den, der ihr etwas Unnützes hinterläßt: eine Idee, ein Gedicht, eine Kirche.

Religionskritik

Das Heidentum ist das andere Alte Testament der Kirche.

Wo die Religion sich selbst säkularisiert, wird Satan zum letzten Zeugen Gottes.

Der Katholik muß sein Leben vereinfachen und sein Denken komplizieren.

Die Nächstenliebe des modernen Menschen besteht nicht darin, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, sondern sich selbst im Nächsten zu lieben.

Die Seligpreisungen auf sich selbst anzuwenden, verrät einen Hochmut, der aus der Gemeinschaft der Seligen ausschließt.

Eine gewisse Weise, enthusiastisch von der "Moral des Evangeliums" zu reden, verrät sofort den Atheisten.

Die Bibel ist nicht die Stimme Gottes, sondern die des Menschen, der ihn findet.

Ethos

Glaube oder Unglaube des Nächsten beeindrucken, solange er nicht die Gründe seines Unglaubens oder seines Glaubens erklärt.

In diesem Jahrhundert der umherziehenden Menschenmassen, die jeden glanzvollen Ort entweihen, ist die einzige Huldigung, die ein respektvoller Pilger einem verehrenswürdigen Heiligtum darbringen kann, die, es nicht zu besuchen.

Den Christus der Evangelien kümmert nicht die ökonomische Lage der Armen, sondern die moralische Situation der Reichen.

Der Katholizismus löst nicht alle Probleme, aber er ist die einzige Doktrin, die alle aufwirft.

Jede Wahrheit ist zwangsläufig dogmatisch.

Weit davon entfernt, Gott zu verbürgen, hat die Ethik nicht genug Autonomie, um für sich selbst zu bürgen.

Der Glaube, der unfähig ist, sich über sich selbst lustig zu machen, muß an seiner Echtheit zweifeln. Das Lächeln löst Trugbilder.

Glauben

Der Katholizismus lehrt, was der Mensch glauben möchte und nicht zu glauben wagt. 

Christsein heißt, sich vor dem Antlitz dessen befinden, vor dem wir uns nicht verbergen können, vor dem es uns unmöglich ist, uns zu verkleiden.

Gegen das Unglück reichen vielleicht Humor, Witz, Charakter - aber wie trösten wir uns ohne Gott über die Unzulänglichkeiten unseres Glücks hinweg?

Die Beweise für die Existenz Gottes sind reichlich vorhanden für den, der sie nicht braucht.

Was von Gott entfernt, ist nicht die Sinnlichkeit, sondern die Abstraktion.

Der wirkliche Atheismus ist für die Vernunft des Menschen, was das Unzählbare für seine Vorstellungskraft ist.

Eher als ein Christ bin ich vielleicht ein Heide, der an Christus glaubt.

Mystik

Wie kann der leben, der nicht auf Wunder hofft?

Mein Glaube füllt meine Einsamkeit mit einem unhörbaren Gemurmel unsichtbaren Lebens.

Für das Wichtige gibt es keine Beweise, nur Zeugnisse.

Jeder, der dem Menschen nicht traut, erweist sich im Grunde als Christ.

Was die Vernunft für unmöglich hält, ist das einzige, was unser Herz erfüllen kann.

Das Scheitern des Christentum ist christliche Doktrin.

Unsere letzte Hoffnung gilt der Ungerechtigkeit Gottes.

aus: Gómez Dávila, Nicolás, Scholien, Wien 2006

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